Und dann kam Schofield plötzlich ein weiterer Gedanke. Ein wesentlich beunruhigenderer Gedanke.

»Gant, wann ist das SAS-Team in der Höhle eingetroffen?«

»Ich bin mir nicht sicher, irgendwann um zwanzig Uhr herum, glaube ich.«

»Und wann seid ihr in der Höhle eingetroffen?«

»Wir haben die Taucherglocke um 14.10 Uhr verlassen. Dann haben wir etwa eine Stunde benötigt, um den Tunnel hinaufzuschwimmen. Also würde ich sagen, so etwa gegen fünfzehn Uhr.«

Zwanzig Uhr. Fünfzehn Uhr.

Schofield überlegte, wann das ursprüngliche Tauchteam der Eisstation Wilkes in die Höhle hinabgestiegen war. Da war irgendetwas, etwas, worauf er noch nicht ganz den Finger legen konnte. Aber dadurch wäre es vielleicht möglich zu erklären...

Schofield blickte auf seine Armbanduhr.
21.50 Uhr.

Scheiße! Zeit, loszugehen.

»Gant, hör zu, ich muss los. In zehn Minuten bewegt sich ein Fenster im Flare über die Station und ich muss es nutzen. Wenn du und die anderen dort unten in Sicherheit sind, tut mir einen Gefallen und seht euch in diesem Hangar um. Findet alles über dieses Flugzeug heraus, was ihr könnt, ja?«

»Da kannst du Gift drauf nehmen.«

Schofield schaltete ab. Aber kaum hatte er dies getan, da vernahm er eine Stimme von irgendwo her hoch droben in der Station.

»Lieutenant!«

Schofield blickte auf. Es war Renshaw. Er war auf Deck B. »Hee! Lieutenant!«, rief Renshaw.

»Was ist?«

»Ich denke, das sehen Sie sich besser an!«

Schofield und Kirsty betraten Renshaws Zimmer durch das rechteckige Loch in der Tür.

Renshaw stand drüben bei seinem Computer.

»Es ist schon den ganzen Tag über dort gewesen«, meinte Renshaw zu Schofield, »aber ich habe gerade erst nachgesehen. Er hat gesagt, ich hätte eine neue Mail, also habe ich mein E-Mail-Programm aufgerufen und nachgesehen. Sie ist um 19.32 Uhr reingekommen und stammt von irgendeinem Typen in New Mexico names Andrew Wilcox.«

»Was hat das mit mir zu tun?«, fragte Schofield. Er kannte nicht mal jemanden namens Andrew Wilcox.

»Nun, das ist die Sache, Lieutenant. Sie ist an Sie adressiert.«

Schofield runzelte die Stirn.

Renshaw nickte zum Bildschirm hinüber. Darauf war irgendeine Liste, über der eine Nachricht stand.

Schofield las die Nachricht. Nach einem Augenblick fiel ihm die Kinnlade herab. Die E- Mail lautete:

SCARECROW

HIER IST HAWK. ICH RATE DIR:

KENNE DEINEN STANDORT.

USMC PERSONNEL DEPARTMENT HAT DICH ALS TOT AUFGEFÜHRT. EIN VERSTÄRKUNGSTEAM IST AUF DEM WEG ZU DIR.

HABE DEN VERDACHT, DEINE MISSION SOLL VON DER ICG BEENDET WERDEN.

FÜRCHTE, DIESES VERSTÄRKUNGSTEAM WIRD DEINEN INTERESSEN FEINDLICH GESINNT SEIN. WÜRDE MIR GAR NICHT GEFALLEN, WENN DIR DAS GLEICHE SCHICKSAL BEVORSTÜNDE WIE MIR IN PERU.

DAMIT IM HINTERKOPF SIEH DIR DIE FOLGENDE LISTE BEKANNTER ICG-INFORMANTEN GENAU DURCH. MEINE EINHEIT IN PERU WAR INFILTRIERT GEWESEN, LANGE BEVOR ICH DORTHIN GEKOMMEN WAR. DEINE VIELLEICHT AUCH.

TRANSMIT NO. 767-9808-0901

REF. NO. KOS-4622

SUBJECT: THE FOLLOWING IS AN ALPHABETICAL LIST OF PERSONNEL AUTHORISED TO RECEIVE SECURE TRANSMISSIONS

NAME LOCATION FIELD/RANK

ADAMS, WALTER. K LVRMRE LAB NCLR PHVSCS

ATKINS.SAMANTHAE. GSTETNR CMPTR SFTWRE

BAILEY, KEITH H. BRKLV AERONTL ENGNR

BARNES, SEAN M. N. SEALS LTCMMDR

BROOKES, ARLIN F. A. RNGRS CPTN

CARVER, ELIZABETH R. CLMBIA CMPTR SCI

CHHISTE, MARGARET V. HRVRD IDSTRL CHMST

DAWSON, RICHARD K. MCHOSFT CMPTR SFTWRE

DELANEY,MARKM. IBM CMPTR HRDWRE

DOUGLAS, KENNETH A. CRAY CMPTR HRDWRE

DOWD, ROGER F. USMC CPRL

EWARDS, STEPHEN R. BOEING AERONTL ENGNR

FROST, KAREN S. USC GNTC ENGNR

FAULKNER, DAVID G. JPL AERONTL ENGNR

GIANNI, ENRICO R. LCKHEED AERONTL ENGNR

GRANGER, RAYMOND K. A. RANGERS SNRSGT

HARRIS, TERENCEX. YALE NCLR PHYSICS

JOHNSON.NORMAE.U. ARIZ BIOTOXNS

KAPLAN, SCOTT M. USMC GNNYSGT

KASCYNSKI.THERESAE. 3M CORP PHSPHTES

KEMPER, PAULENEJ. JHNS HPKNS DRMTLGY

KOZLOWSKI, CHARLES R. USMC SGT MJR

LAMB, MARK 1. RMALITE BLLSTCS

LAWSON, JANE R. U. TEX INSCTCIDES

LEE, MORGAN T. USMC SGT

MAKIN, DENISE E. U. CLRDO CHMCLANGNTS

McDONALD, SIMON K. LYRMRE LAB NCLR PHYSICS

NORTON, PAUL G. PRNCTN AMINOACDCHNS

OLIVER, JENNIFER F. SLCN STRS CMPTR SFTWRE

PARKES, SARAH T. USC PLNTGST

RIGGS, WAYLON J. N. SEALS MMXDR

REICHART, JOHN R. USMC SGT

SHORT, GREGORY J. CCACLA LQDSCE

TURNER, JENNIFER C. UCLA GNTC ENGNR

WILLIAMS, VICTORIA D. U.WSHAGTN GEOPHYS

YATES, JOHN F. USAF CPTN

WAIDMANNSHEIL!

HAWK

Schofield starrte die E-Mail einen Augenblick lang verblüfft an. »Hawk« war Andrew Trents Kennung.

Andrew Trent, der - wie man Schofield gesagt hatte - bei einem »Unfall« während dieser Operation in Peru 1997 umgekommen war.

Andrew Trent lebte...

Renshaw druckte die E-Mail aus und reichte Schofield den Ausdruck. Wie vom Donner gerührt überflog Schofield erneut die E-Mail.

Irgendwie hatte Trent entdeckt, dass Schofield unten in der Antarktis war. Er hatte ebenfalls entdeckt, dass ein Verstärkungsteam auf dem Weg nach Wilkes war. Am beunruhigendsten von allem war jedoch seine Entdeckung, dass das United States Marine Corps Schofield offiziell bereits als tot führte.

Und deshalb hatte Trent Schofield diese E-Mail geschickt, zusammen mit einer Liste bekannter ICG-Informanten, falls Schofield irgendwelche Verräter in seiner Einheit hätte.

Schofield sah auf die Absendezeit der E-Mail. 19.32 Uhr. Sie musste via Satellit während der Unterbrechung des Flares um 19.30 Uhr übertragen worden sein.

Schofield durchsuchte die Liste. Ein paar Namen sprangen ihm ins Auge.

KAPLAN, SCOTT M.USMCGNNY SGT

Snake. Als müsste Schofield noch wissen, dass Snake ein Verräter war. Und dann:

KOZLOWSKI, CHARLES R.USMCSGT MJR

O Gott, dachte Schofield.

Chuck Koszlowski. Der Sergeant Major des Marine Corps, der Soldat mit dem höchsten Mannschaftsrang im Corps war Mitglied der ICG.

Und dann sah Schofield einen weiteren Namen, der ihn vor Entsetzen erstarren ließ.

LEE, MORGAN T.USMCSGT

»O nein«, sagte Schofield laut. »Was ist?«, fragte Renshaw.

»Was ist los?«

Montana, dachte Schofield. Montanas wirklicher Name war Morgan Lee. Morgan T. Lee.

Schofield sah entsetzt auf.

Montana war ICG.

Unten im Hangar suchten Gant und die anderen nach Informationen über das schwarze Flugzeug.

In einer kleinen Werkstatt sah Santa Cruz sich einige technische Zeichnungen durch. Sarah Hensleigh saß an einem Schreibtisch hinter ihm, Papier und Bleistift bereit.

»Hübscher Name«, meinte Cruz, das Schweigen brechend.

»Was?«, fragte Sarah.

»Der Name des Flugzeugs. Wie hier steht, haben sie es »Silhouette« genannt«, sagte Santa Cruz. »Nicht schlecht.«

Sarah nickte. »Hmmm.«

»Schon Glück gehabt mit dem Code?«, fragte Santa Cruz.

»Ich denke, ich komme der Lösung näher«, erwiderte Hensleigh. »Die angegebenen Ziffern lauten 24157817 und sind anscheinend eine Reihe von Primzahlen: 2, 41, 5, 7, bis man zu 817 kommt. Aber 817 ist durch 19 und 43 teilbar, welche wiederum auch Primzahlen sind. Dann wiederum könnte 817 auch zwei Zahlen bedeuten, 81 und 7, oder vielleicht sogar drei Zahlen. Das ist der schwierige Teil, nämlich herauszubekommen, wie viele Zahlen 24157817 nun eigentlich darstellen sollen.«

Santa Cruz lächelte. »Besser Sie als ich, Ma'am.«

»Danke sehr.«

In diesem Augenblick betrat Montana die Werkstatt. »Doktor Hensleigh?«, sagte er.

»Ja.«

»Fox hat mich gebeten, Ihnen zu sagen, dass Sie vielleicht einen Blick auf etwas werfen möchten, das sie drüben im Büro gefunden hat. Sie hat gesagt, es wäre ein Codebuch oder so was.«

»Na gut.« Hensleigh stand auf und verließ die Werkstatt.

Montana und Santa Cruz waren allein.

Santa Cruz nahm seine Untersuchung der technischen Zeichnungen des Schiffs wieder auf.

»Wissen Sie, Sir«, sagte Santa Cruz, »dieses Flugzeug ist schon etwas Besonderes. Es braucht beim Überschallflug keine Nachbrenner. Und es hat acht kleine Retrostrahltriebwerke an der Unterseite, mit denen es senkrecht starten und landen kann. Aber das Merkwürdige ist, dass beide Triebwerksanlagen mit normalem Kerosin laufen.«

»Und?«, fragte Montana von der Türschwelle aus.

»Und... was macht dann der Plutoniumkern?«, fragte Santa Cruz und wandte sich Montana zu.

Ehe Montana etwas erwidern konnte, drehte sich Cruz wieder seinen Zeichnungen zu. Er zog einige handgeschriebene Notizen darunter hervor.

»Aber ich denke, ich habe es herausbekommen«, meinte Santa Cruz. »Ich habe Fox bereits davon erzählt. Diese Notizen, die ich gefunden habe, sagen, dass die Ingenieure in diesem Hangar an einer neuen Art von elektronisch erzeugtem Tarnkappenmechanismus für die Silhouette gearbeitet haben, irgendeiner Art von elektromagnetischem Feld, das das Flugzeug umgeben hat. Aber um dieses elektromagnetische Feld zu erzeugen, haben sie eine Wagenladung von Energie benötigt, etwas in der Gegend von 2,71 Gigawatt. Das Einzige jedoch, das zur Erzeugung dieser Art von Energie imstande ist, ist eine kontrollierte Kettenreaktion. Daher das Plutonium.« Santa Cruz nickte in sich hinein, mit sich selbst zufrieden.

Er bemerkte überhaupt nicht, dass Montana rasch hinter ihn trat.

»Ich sag dir«, fuhr Santa Cruz fort, »dies ist wirklich 'ne verpisste Mission gewesen. Raumschiffe, französische Truppen, britische Truppen, geheime Basen, Plutoniumkerne, ICG-Verräter. Scheiße. Ist einfach...«

Montanas Messer drang Santa Cruz ins Ohr. Es fuhr heftig hinein und durchdrang Santa Cruz' Gehirn in einem Augenblick.

Die Augen des jungen Soldaten wurden groß. Dann fiel er nach vorn und schlug mit dem Gesicht nach unten auf dem Schreibtisch auf. Tot.

Montana zog sein blutiges Messer Santa Cruz aus dem Schädel und wandte sich um...
... und sah Libby Gant auf der Schwelle der Werkstatt stehen, ein Bündel Papiere in den Händen. Sie starrte ihn in blankem Entsetzen an.

Schofield schaltete sein Helmmikrofon ein. »Gant! Gant! Bitte kommen!«

Es folgte keine Antwort.

Schofield warf einen Blick auf seine Uhr.
21.5 8 Uhr.

Scheiße. Die Lücke im Flare wäre in zwei Minuten da.

»Gant, ich weiß nicht, ob du mich hören kannst, aber wenn ja, so pass mal auf! Montana ist ICG! Ich wiederhole, Montana ist ICG! Kehre ihm nicht den Rücken zu! Neutralisiere ihn, wenn du musst. Ich wiederhole, neutralisiere ihn, wenn du musst. Ich muss los!«

Und mit diesen Worten raste Schofield nach oben zum Funkraum.

Gant rannte über den höhlenartigen Hangar, Montana ihr auf den Fersen. Sie sprintete an einer Eiswand vorüber, gerade als sie mit einer Linie von Einschusslöchern übersät wurde.

Gant löste ihre MP5, als sie durch das Schott rannte, das zurück zum Spalt und zur Haupthöhle führte. Sie schoss wild hinter sich. Dann tauchte sie durch den horizontalen Spalt und wälzte sich gerade in dem Augenblick hindurch, da Montana im Schott hinter ihr auftauchte und einen weiteren Feuerstoß abgab.

Eine weitere Reihe Einschusslöcher zerfurchte die Eiswand um Gant, nur dass diesmal die Reihe von Einschusslöchern sich auch mitten über ihren Körper zog.

Zwei Kugeln steckten in ihrer Brustplatte. Eine schlug ein ausgefranstes rotes Loch in ihre Seite.

Gant unterdrückte einen Schrei, als sie sich durch den Spalt wälzte, wobei sie ihre Seite umklammerte. Sie biss die Zähne zusammen und sah das Blut, das ihr zwischen den Fingern hindurchsickerte. Der Schmerz war unerträglich.

Als sie sich aus dem Spalt hinaus in die Haupthöhle zwängte, sah Gant die Seeelefanten drüben beim Raumschiff, und in der Tat, kaum war sie aus dem Spalt heraus, so hob einer der Seehunde den Kopf und blickte in ihre Richtung.

Es war das Männchen. Der große Bulle mit seinen furchterregenden unteren Fängen. Er musste irgendwann während der letzten halben Stunde zurückgekehrt sein, dachte Gant.

Der Bulle bellte sie an. Dann bewegte er den massigen Körper auf sie zu, wobei sich die Fettwülste bei jedem stolpernden Schritt wellten.

Die Schusswunde in Gants Seite brannte.

Auf dem Hintern kroch sie vom Spalt weg, hielt dabei ein Auge auf den nahenden Seeelefanten gerichtet und das andere auf den Spalt selbst. Eine Blutspur zog sich über den gefrorenen Boden hinter ihr und verriet den Weg, den sie nahm.

Mit dem Gewehr voraus tauchte Montana aus dem horizontalen Spalt auf.

Gant war nirgendwo zu sehen.

Montana sah die Blutspur auf dem Boden, die nach rechts wegführte, um einen großen Eisbrocken herum.

Montana folgte der Blutspur. Er umrundete rasch den Eisbrocken und feuerte eine Salve ab. Er traf nichts. Gant war nicht dort. Ihre MP5 lag einfach dort auf dem Boden hinter dem Eisbrocken.

Montana fuhr herum.

Wo zum Teufel steckte sie?

Gant sah, wie Montana um den Eisbrocken zurückkam und sie entdeckte.

Sie saß jetzt auf dem Boden vor dem horizontalen Spalt und hielt sich mit beiden Händen die Seite. Es hatte sie ihre ganze Kraft gekostet - und beide Hände -, auf die Beine zu kommen und zur linken Seite des Spalts zu rennen, ohne dabei Blut zu verlieren, ehe Montana aus dem Loch herausgekrochen war. Eigentlich hatte sie sogar die Absicht gehabt, durch den Spalt zurückzukehren, aber es war ihr nur gelungen, bis hierhin zu gelangen.

Lächelnd ging Montana langsam zu ihr hinüber. Er stellte sich vor sie, den Rücken dem Hauptteil der Höhle zugekehrt.

»Du bist ein absoluter Schweinehund, weißt du das?«, sagte Gant.

Montana zuckte die Achseln.

»Es ist nicht mal ein verdammtes Alien-Raumschiff, und du bringst uns immer noch um«, meinte Gant und schaute dabei in die Höhle hinter Montana.

»Es ist jetzt nicht mehr bloß das Schiff, Gant. Es ist, was ihr über die ICG wisst. Deswegen dürft ihr nicht zurückkehren.«

Gant blickte Montana direkt in die Augen. »Dann tu doch, was du nicht lassen kannst!«

Montana hob seine Waffe und wollte feuern, aber in diesem Augenblick schallte ein Gebrüll durch die Höhle, das das Blut zum Erstarren brachte.

Montana fuhr gerade rechtzeitig herum, um den großen Bullen laut brüllend über die Höhle auf sich zu jagen zu sehen. Der Boden zitterte bei jedem dröhnenden Schritt.

Gant nutzte die Chance und wälzte sich rasch durch den horizontalen Riss hinter ihr zurück. Sie fiel täppisch auf den Boden des Tunnels hinter dem Spalt.

Der große Seehund sprang mit unglaublicher Schnelligkeit durch die Höhle und legte die Entfernung zwischen dem Schiff und dem Spalt innerhalb von Sekunden zurück.

Montana hob die Waffe und feuerte.

Aber das Tier war zu groß und schon zu nahe herangekommen.

Aus dem Innern des Tunnels blickte Gant hoch und sah Montanas Umriss auf der anderen Seite des durchscheinenden Eises über sich.

Und plötzlich - Wumm! - sah sie, wie Montanas Körper gegen die andere Seite der durchscheinenden Wand geworfen wurde. Eine groteske, sternförmige Explosion aus Blut flammte aus Montanas Körper auf, als ihn der große Seehund mit donnernder Gewalt gegen die Eismauer warf.

Langsam, schmerzhaft kam Gant auf die Beine und spähte durch den Spalt in die Haupthöhle hinaus.

Sie sah den Seeelefanten die Fänge aus Montanas Bauch herausziehen. Die langen, blutbeschmierten Zähne lösten sich aus seinem Kälteschutzanzug und Montana fiel einfach zu Boden. Triumphierend stand der Seeelefant über dem flach dahingestreckten Körper.

Und dann hörte Gant Montana plötzlich stöhnen.

Er lebte noch.

Nur noch ein wenig, aber - ja -, er lebte ganz bestimmt noch.

Daraufhin sah Gant zu, wie der große Seehund sich über Montana herabbeugte und ihm ein großes Stück Fleisch aus dem Brustkasten riss.

Auf die Sekunde genau um 22.00 Uhr betrat Schofield den Funkraum auf Deck A. Renshaw und Kirsty kamen hinter ihm her. Schofield setzte sich vor den Sender und schaltete das Mikrofon ein.

»Achtung, McMurdo. Achtung, McMurdo. Hier ist Scarecrow. Versteht ihr mich?«

Es folgte keine Antwort.

Schofield wiederholte seine Nachricht.

Keine Antwort.

Und dann auf einmal: »Scarecrow, hier ist Romeo, ich verstehe dich. Gib mir einen Lagebericht!«

Romeo, überlegte Schofield. »Romeo« war die Kennung von Captain Harley Roach, dem kommandierenden Offizier der Marine-Aufklärungseinheit Fünf. Schofield war Romeo Roach schon bei ein paar Gelegenheiten begegnet. Er war sechs Jahre älter als Schofield, ein guter Soldat und ein Frauenschwarm - daher seine Kennung, Romeo.

Was mehr zählte, er war ein Marine. Schofield lächelte. Er hatte einen Marine an der Strippe.

»Romeo«, sagte Schofield, und die Erleichterung überspülte ihn wie eine Woge. »Die Lage ist folgende: wir haben Kontrolle über Zielobjekt. Ich wiederhole, wir haben Kontrolle über Zielobjekt. Haben schwere Verluste erlitten, aber das Zielobjekt ist unser.« Das Zielobjekt war natürlich Eisstation Wilkes. Schofield seufzte. »Was ist mit Ihnen, Romeo, wo sind Sie?«

»Scarecrow, wir sind gegenwärtig in Hovercrafts in einer Warteposition etwa einen Kilometer vom Zielobjekt entfernt...«

Ruckartig fuhr Schofields Kopf hoch.

Ein Kilometer...

Aber das war doch gleich draußen vor der Haustür...

»... und wir haben Befehl, dort zu bleiben, bis wir weitere Anweisungen erhalten. Wir haben strikte Anweisung, die Station nicht zu betreten.«

Schofield vermochte es nicht zu glauben.

Draußen vor der Eisstation Wilkes waren Marines, unmittelbar vor der Eisstation Wilkes, einen Kilometer weit entfernt. Als erstes wollte Schofield wissen...

»Romeo, wie lange seid ihr schon dort draußen?«

»Ah, jetzt etwa achtunddreißig Minuten, Scarecrow«, erwiderte Romeos Stimme.

Achtunddreißig Minuten, dachte Schofield ungläubig. Ein Trupp Marine-Aufklärer saß bereits die letzte halbe Stunde draußen vor Wilkes auf seinem Arsch.

Plötzlich kam eine Stimme über Schofields Helmmikrofon - nicht über die Lautsprecher des Funkraums. Es war Romeo. »Scarecrow, ich muss privat mit dir reden.«

Schofield stellte den Funk der Station ab und sprach in sein Helmmikrofon. Romeo benutzte den internen Kanal der Marines.

»Romeo, was zum Teufel tut ihr da eigentlich?«, fragte Schofield. Er konnte es nicht glauben. Während er innerhalb der Station seinen Kampf mit Trevor Barnaby ausgefochten hatte, war eine ganze Einheit Marines an der Eisstation Wilkes eingetroffen und hatte draußen gewartet.

»Scarecrow, das ist ein verdammter Zirkus hier. Marines. Green Berets. Teufel, hier draußen ist eine ganze gottverdammte Einheit von Army Rangers, die den Umkreis von einem Kilometer patrouilliert. Der National Command und der vereinte Generalsstab haben jede Einheit losgeschickt, die sie auftreiben konnten, um diese Station zu decken. Aber die Sache ist die, sobald wir hier eingetroffen sind, haben sie uns befohlen, auf das Eintreffen eines Navy SEAL-Teams zu warten. Scarecrow, meine Befehle sind sehr klar: wenn sich einer meiner Männer vor dem Eintreffen dieses SEAL-Teams der Station nähert, wird auf ihn geschossen.«

Schofield war wie betäubt. Einen Augenblick lang war er sprachlos.

Plötzlich wurde ihm die Situation völlig klar.

Er befand sich genau in derselben Lage wie Andrew Trent in Peru. Er war als erster in der Station eingetroffen. Er hatte etwas darin gefunden. Und jetzt schickten sie ein SEAL- Team - die gnadenloseste, tödlichste Spezialeinheit, die die Vereinigten Staaten besaßen -in die Station.

Da sprang eine Zeile aus Andrew Trents E-Mail in Schofields Kopf:

USMC Personnel Department führt dich als tot auf.

Schofield schluckte heftig, als ihn die entsetzliche Erkenntnis traf.

Sie schickten die SEALs herein.

Sie schickten die SEALs herein, um ihn zu töten.

Shane Schofield 01 - Ice Station
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